Architekturtheorie

Die Prozesse, die großmaßstäblich gebaute Umwelten formen bedürfen kritischer Analyse. Gelesen durch ihre gesellschaftliche Wirkung werden bürokratische und (proto-)digitale Entwurfsprozesse vielschichtig und intersektional verstanden. Dazu gehört die kritische Durchleuchtung technophiler Rhetorik von Effizienz, Rationalisierung, Präzision oder Funktion genauso wie die Weitung von Aktanten-Kreisen oder die Betrachtung von Konsequenzen architektonischen Handelns. Dabei stehen die dringenden Fragen unserer Disziplin nach Nachhaltigkeit (auch jenseits technizistischen Fortschrittsglaubens) oder Diversität (als echter Perspektivenwechsel, wissenschaftlich wie in der Praxis) im Vordergrund. Die Fragen, die uns beschäftigen, sind deshalb folgende: wer erzeugt welche Architekturen mit welcher (sozialen, politischen oder ästhetischen) Intention? Auf wessen Kosten werden sie produziert? Wer und was wird beteiligt oder ausgeschlossen? Welche gesellschaftlichen Bilder werden konstruiert, und welche Architekturen werden von Gesellschaften projiziert? In Lehre und Forschung vertiefen wir ausgewählte Fragestellungen methodisch und thematisch, immer eng verbunden mit Lese- und Schreibpraxis durch iterative Textproduktion und durch das Heranführen an multiperspektivische Bibliographien und Formate. Denn Architekturen, oder besser, räumliche Praktiken gestalten Umwelten mitten in Communities und Gesellschaften. Die damit einhergehende Verantwortung macht eine fundierte kritische historische und theoretische Auseinandersetzung notwendig.

Prof. Dr. Anna-Maria Meister, 2023

Neuigkeiten

Show and Tell
Show & Tell: Karlsruher Architekturvorträge

Welche Art von Praxis ist das Ausstellen von Architektur? Seit den 1970er-Jahren ist Architektur zunehmend in Galerien eingezogen: Mit Modellen, Skizzen und Plänen begann sie, Ausstellungen und Biennalen, Museen und Schauen zu bevölkern. Einige der größten Verschiebungen im architektonischen Diskurs haben in und durch Ausstellungen begonnen: Dort, wo Menschen zusammenkommen, Architektur zeigen und über sie sprechen, können sich Dinge auf allen Ebenen verändern. Doch in einer Disziplin, in der man selten das „Original“ ausstellt – also ein Gebäude oder einen Raum im Maßstab 1:1 –, was ist es eigentlich, das wir zu sehen, zu zeigen oder zu erleben bekommen? Kann ein Modell einen Raum repräsentieren? Und was ist mit dem Raum, der die Ausstellungen umgibt? Wie werden architektonische Narrative konstruiert, und welches Material wird dabei verwendet? Unabhängig davon, ob Architektur nun „Kunst“ geworden ist (eine alte Diskussion), stehen Fragen nach Maßstab, Medien und Übersetzung im Zentrum des architektonischen Exhibitionismus.

Wir haben Macher:innen und Denker:innen – Kurator:innen, Ausstellungsarchitekt:innen, Ausstellungshistoriker:innen oder Institutionsleiter:innen – eingeladen, uns von ihrer architektonischen Praxis durch und mit Ausstellungen zu erzählen.

Karlsruher Architekturvorträge
Poster Architecture and the Power of Bureaucracy
Architecture and the Power of Bureaucracy

Am 6. November präsentiert Sina Brückner-Amin ihre Forschung zu bürokratischen Planungsökologien in der Hochschulverwaltung der 1950er Jahre in Kalifornien auf der Tagung "Architecture and the Power of Bureaucracy" in Wien. Die Tagung, gemeinsam organisiert durch das Institute of Art History der Czech Academy of Sciences und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, ist Teil des FWF Projekts "Invisible Agents".

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Vorlesung WS 25/26
VORLESUNG WS 25/26 : Wer hat Angst vor Architekturtheorie?

Architektur ist gesellschaftliche Praxis: die Schaffung von Räumen für andere. Wieso also Theorie? Die gebaute Umwelt ist ein Diskurs, mit Aussagen, die schon stehen, Kritik, die formuliert wird - und wie jeder Diskurs ist er im Wandel. Was Architekturschaffende beitragen, ist also immer schon Teil einer längeren Aushandlung, und deshalb ist es wichtig zu wissen, welche Position man beziehen möchte, wen man (bewusst oder unbewusst) zitiert, für was man steht. Dazu gehört die kritische Auseinandersetzung mit technophilen Rhetoriken der Effizienz, Rationalisierung, Präzision oder Funktion ebenso wie die Erweiterung von Akteurskreisen oder die Berücksichtigung von Folgen architektonischen Handelns. Die drängenden Fragen unserer Disziplin nach Nachhaltigkeit jenseits des technizistischen Fortschrittsglaubens oder Diversifizierung als echter Perspektivenwechsel, wissenschaftlich wie praktisch, stehen im Vordergrund. Die Fragen, die uns beschäftigen, lauten daher: Wer produziert welche Architekturen mit welcher (sozialen, politischen oder ästhetischen) Absicht? Auf wessen Kosten werden sie produziert? Wer und was wird einbezogen oder ausgeschlossen? Welche Gesellschaftsbilder werden konstruiert? Dabei werden verschiedene Positionen beleuchtet um immer bessere Fragen zu stellen.

Brasil
SEMINAR WS 25/26 BA/MA : Brasil

Die Theorie und Geschichtsschreibung der modernen Architektur, die lange Zeit auf den globalen Norden fokussiert war, beginnt sich zu dezentralisieren. Doch ein Land des globalen Südens spielte in dieser Geschichte trotz seiner vermeintlichen Randlage stets eine herausragende Rolle: Brasilien. In diesem Seminar diskutieren wir den Begriff „Nation“ als epistemologische Kategorie, Modelle relativer Entwicklung in der Architekturgeschichte und die theoretischen Beiträge, die sich aus den besonderen Bedingungen Brasiliens entwickelt haben: enorm in Ausmaß und Ungleichheit, geprägt von Kolonialismus, Diktatur, Einwanderung und Sklaverei.

Living Archive
SEMINAR WS 25/26 BA/MA : Living Archive

Dieses Seminar wird architektonische Elemente wie Fassaden, Balkone, Fenster und Erdgeschosse untersuchen und sie nicht nur als funktionale Bestandteile, sondern auch als kulturelle, soziale und politische Symbole betrachten. Wir werden analysieren, wie diese Elemente im Laufe der Zeit neue Bedeutungen annehmen, lokale Identitäten, wirtschaftliche Bedingungen und größere historische Veränderungen widerspiegeln.
Der Fall Georgiens ist hierbei besonders aufschlussreich, da der Zerfall der Sowjetunion eine radikale Transformation der gebauten Umwelt auslöste. Die Privatisierung des Wohnraums ermöglichte es den Bewohner:innen, standardisierte Wohnblöcke individuell zu verändern, was zu selbst geschaffenen Modifikationen führte, die bis heute die urbane Identität prägen. Durch die Einbettung dieses Beispiels in einen breiteren architektonischen Diskurs wird das Seminar verdeutlichen, wie scheinbar alltägliche Details dynamische Veränderungsprozesse verkörpern und als lebendige Archive kollektiver Erfahrung fungieren können.

Pipe Dreams
SEMINAR WS 25/26 BA/MA : Pipe Dreams

Obwohl wir Raum oft als etwas Abstraktes begreifen, wird er durch eine Vielzahl infrastruktureller Systeme geprägt. Das Seminar untersucht, wie Infrastrukturnetze – Straßen, Eisenbahnen, Stromnetze, Ölpipelines, Internetkabel und Entsorgungssysteme – der abstrakten politischen Idee eines geeinten Europas eine konkrete physische Form verleihen. Besonderes Interesse gilt dabei der materiellen Beschaffenheit alltäglicher Infrastrukturobjekte und ihren generativen (und oft gewaltsamen) räumlichen Wirkungen.

Im Verlauf des Semesters lesen wir zentrale Texte zur Politik der Infrastruktur und analysieren politische Imaginationen ausgewählter Systeme. Karlsruhe, das in den 1970er-Jahren als europäischer Knotenpunkt für Öl und Daten entworfen wurde, dient dabei als Ausgangspunkt. Wir kartieren die räumlichen Auswirkungen ausgewählter Infrastrukturen und entwerfen alternative Zukünfte, die sensibler auf den gegenwärtigen Klimanotstand reagieren.

AISU KonferenzAISU
12th International Congress of AISU in Palermo

Am 11. September 2025 präsentiert Hannah Knoop ihre Forschung zur Standardisierung in der Nothilfearchitektur auf dem 12. internationalen Kongress der AISU in Palermo. Unter dem Titel „The Crossroad City“ widmet sich die Konferenz den vielfältigen Bedeutungen der Stadt als Ort von Austausch, Migration und kulturellen Überschneidungen. In der Session „Interior Spaces of Migration: Dwelling, Displacement, and Identity“, organisiert von Min Kyung Lee (Bryn Mawr College) und Robin Schuldenfrei (The Courtauld Institute), stellt sie ihr Paper „Standardized Care and the Interior of Emergency: Migration, Domesticity, and Spatial Adaptation“ vor.

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AA Visiting School Symposium

Am 20. August 2025 spricht Teresa Fankhänel im Rahmen des AA Visiting School Symposium: Traces in Formation an der Zürcher Hochschule der Künste. Das Symposium Traces In Formation untersucht, wie Spuren als Material und als Konzept in kuratorischer Praxis genutzt werden können, um verborgene Strukturen, Machtverhältnisse und gesellschaftliche Systeme sichtbar zu machen. Dabei kommen Künstler:innen, Architekt:innen, Kurator:innen, Theoretiker:innen und Aktivist:innen zusammen, um Ausstellungen als Räume der Offenlegung und Gegenuntersuchung zu begreifen. Die Veranstaltung ist Teil der Reihe Building Information, die seit 2022 internationale Ausstellungen, Workshops und Diskussionen zu Informationsinfrastrukturen organisiert.

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Theory Clinic 2025
Theory Clinic

MA und BA Studierende! Braucht ihr Hilfe bei euren Essays oder Abschlussarbeiten? Komm am 10. Juli, von 13 bis 16 Uhr in Raum 254 zu unserer THEORY CLINIC und wir helfen Dir, wieder in den Fluss der Dinge zu kommen! 

Einmal im Monat stellt sich die Professur Architekturtheorie in den Weg vor unseren Büroräumen: als “Theorieklinik” ohne Termin. Wer Fragen zum Entwurfsprozess hat, Referenzen sucht, oder eine Test-Review machen will, kommt vorbei. Durch offene Gesprächsrunden und Tischkritiken nähern wir uns den relevanten Fragen und neuralgischen Punkten - ganz unverfangen. Einfach vorbeikommen (vielleicht gibt es sogar Popcorn!).

Workshop „Der Bericht“ Universität Bremen
Workshop „Der Bericht“ Universität Bremen

Am 3. und 4. Juli 2025 nimmt Sina Brückner-Amin am Workshop „Der Bericht: Geschichte und Theorie einer prozeduralen Textform“ an der Universität Bremen teil. Der Workshop arbeitet an der Schnittstelle von Wissenschaftsgeschichte und Bürokratiegeschichte. Es werden Paper Entwürfe diskutiert und an der Konzeption eines interdisziplinären gemeinsamen Buch gearbeitet. Sina Brückner-Amin präsentiert im Rahmen des Workshops ihre Forschung zum „Master Plan for Higher Education“ im Kalifornien der 1950er Jahre.

„Architektur Ausstellen“ Eröffnung 10. Juli 2025

Anlässlich ihres 25-jährigen Bestehens lädt die Architektur Galerie Berlin zu einer besonderen Ausstellung ein, die sich mit der Zukunft des Architekturausstellens befasst.Wie verändert sich die Präsentation von Architektur im Zeitalter digitaler Kommunikation? Welche Rolle spielen analoge Formate, und wie lassen sich neue mediale Möglichkeiten sinnvoll integrieren? In Zusammenarbeit mit Kurator:innen, unter anderem Teresa Fankhänel, und Architekt:innen wirft die Galerie einen Blick nach vorn: Es geht um neue Formen der Vermittlung, veränderte Sehgewohnheiten und die Frage, wie Ausstellungen künftig aussehen können – von mobilen Formaten bis hin zur stärkeren Einbindung des öffentlichen Raums. Die Ausstellung ist Teil des Jubiläumsprogramms und lädt Besucher:innen zum Mitdenken, Diskutieren und Entdecken ein.

Eröffnung mit einer Einführungsrede von Teresa Fankhänel ist am 10.7., 19 Uhr in der Architektur Galerie Berlin

Publikation: Tom Wilkinson, „Siegfried Kracauer, Architectural Employee“
Publikation: Tom Wilkinson, „Siegfried Kracauer, Architectural Employee“

Neu erschienen, auch in Open Access: In seinem Beitrag „Siegfried Kracauer, Architectural Employee“ untersucht Tom Wilkinson, wie Kracauers frühe Berufserfahrung als Architekt seine späteren kulturkritischen Arbeiten prägte. Im Fokus steht das Jahr 1930, als Kracauer mit Die Angestellten einen materialistischen Blick auf die prekären Lebensrealitäten des urbanen Mittelstands warf. Die These lautet demnach, dass nicht allein seine Ausbildung, sondern gerade die frustrierende Praxis als Architekt den Boden für sein politisches Denken bereitete. Vor dem Hintergrund heutiger Arbeitskämpfe junger Architekt:innen gewinnt Kracauers Analyse erneut an Aktualität.

Link:

https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/9783035628944/html?lang=de#contents

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